40 Jahre Sängerstadtpokal Finsterwalde
Dieser Pokalwettkampf – ursprünglich ausgeschrieben nur für Herren-Recurvemannschaften – hat eigentlich nicht viel mit der Sängerstadt Finsterwalde in Brandenburg zu tun: Er wird auf dem Bogenschießplatz in Babben, 15 km von der Stadt entfernt, ausgetragen und zur Siegerehrung kommen meist Vertreter der Gemeinde. Er war von Beginn an eine Erfolgsgeschichte – gedacht als Eröffnungswettkampf für die Freiluftsaison und eingeordnet vor dem ersten Oberligaturnier. Deshalb fand er zunächst Anfang bis Mitte April statt, der erste 1978 sogar am 1./2. April, eine Woche nach dem letzten Hallenwettkampf. Waldemar Lehmann, der langjährige Organisator, war im Jahr zuvor Sektionsleiter Bogenschießen bei der BSG Motor Finsterwalde geworden. Zum Pokal reisten die Bogenschützen aus der gesamten DDR an: u. a. aus Aue, Leipzig, Dresden, Berlin, Rostock. Die Teilnehmer wurden zu DDR-Zeiten in einem Lehrlingswohnheim in Finsterwalde untergebracht, Familie Lehmann musste dafür Bettwäsche und Verpflegung anliefern. In den Teilnehmerlisten finden sich alle bekannten Bogenschützen der DDR, darunter auch die spätere Olympiateilnehmerin Cornelia Pfohl aus Aue. Zwischen Wismut Aue und Motor Finsterwalde gab es eine besondere Rivalität: die Mannschaften schnappten sich wiederholt gegenseitig die Pokale weg. Finsterwalde hatte schon zweimal den Wismutpokal gewonnen, bevor Aue den ersten Pokal aus Finsterwalde/Babben entführte. Viele kleine Episoden bleiben im Gedächtnis: der erste Sieger mit einem Ergebnis über 1200, Falk Elstermann aus Pirna schoss 1979 1201 Ringe. Die Berlinerin Rosemarie Grzondziel nahm 1980 bei den Herren teil und erreichte auf 90m immerhin 235 Ringe. 1981 und dann mehrmals in Folge gab es mit Nadwislan Krakow eine internationale Beteiligung. Am nachhaltigsten ist allen aber wohl der 13.Sängerstadtpokal am 7./8. April 1990 in Erinnerung: Es war das erste gesamtdeutsche Bogensportturnier überhaupt, noch dazu in Top-Besetzung: der deutsche Meister Manfred Barth trat mit seiner Mannschaft, der Hamburger Bogenschützen-Gilde, gegen den letzten DDR-Meister Fred Steinigk und die besten Finsterwalder, Berliner und Auer Bogenschützen an. Auch Ulrich und Claudia Loroff von TiB Berlin schossen erstmals in Babben. Am Ende gewann Barth sowohl im Einzel (1187 R.) als auch mit seiner Mannschaft (Barth, Lott, Brandt, 3387 R.). Im Jahre 1991 wurde der Pokal erstmalig Anfang Mai ausgetragen, weil er von vielen Bogen-schützen vorher als zu früh empfunden worden war. Die Teilnehmerzahlen gingen nach der Wende zunächst zurück und pendelten sich um die 40 ein. Hinzu kamen jetzt auch Wertungen und Pokale, gestaffelt nach Altersklassen. Die Sektion Bogenschießen der BSG Motor Finsterwalde schloss sich dem neuen Finsterwalder Ballsportverein (BSV) Grün-Weiß an, bei dem vor allem Handball gespielt wird. Während zu DDR-Zeiten der Termin für den Pokal immer eine Woche vor dem Start der Oberliga lag, wurde er jetzt auf eine Woche vor der neu geschaffenen Bundesliga festgesetzt. Die DBSV-Bundesliga begann am ersten Mai-Wochenende, somit rückte der Sängerstadtpokal wieder in den April.
Beim 20. Sängerstadtpokal gab es erneut eine Beteiligung von mehr als 60 Schützen, zumeist aus den sächsischen und Brandenburger Vereinen, deren Teilnahme schon Tradition hatte. Verstärkt tauchten Compound-Schützen beim Wettkampf auf, die zunächst nicht in die Vergabe der Pokale einbezogen wurden. Der 24. Sängerstadtpokal 2001 fand zum letzten Mal unter der bewährten Organisation des langjährigen Abteilungsleiters Waldemar Lehmann statt, der auch immer selbst mitschoss. Bei diesem Pokal gab es zum ersten Mal eine Damen-Compoundmannschaft aus Finsterwalde (Gieritz, Radigk, Walther). Von nun an lag die Organisation des Sängerstadtpokals in den Händen von Carsten Materne.
Immer wieder nutzten vor allem in Berlin trainierende Nachwuchsschützen und die von Martin Frederick betreute Damen-Nationalmannschaft den Sängerstadtpokal als Einstieg in die Freiluftsaison, wie z.B. Wiebke Nulle, Susanne Poßner oder Elena Richter. Beim Pokal 2010 gab es prominente Starter mit fantastischen Ergebnissen: Sebastian Rohrberg vom SV Dauelsen durchbrach als erster Recurveschütze in Babben die 1300er Schallmauer und gewann mit 1318 Ringen. Bei den Recurve-Damen siegte die amtierende Weltmeisterin Karina Winter (1310 R.)
Weil Stefan Lehmann, Vizepräsident des DBSV als Kampfrichter fungierte, konnten auch internationale FITA-Sterne vergeben werden. Um den sportlichen Wert des Sängerstadtpokals zu erhalten und nicht in eine Pokalschwemme zu verfallen, gibt es für die Siegerehrung seit wenigen Jahren einen neuen Modus: Pokalsieger werden die, deren Ergebnis am dichtesten am deutschen Rekord liegt oder diesen womöglich noch übertrifft. Erika Rakel von der SSV PCK 90 Schwedt gelang dies bei ihrem Pokalsieg 2015 mit dem Compoundbogen mit mehr als 100%, sie schoss einen Deutschen Rekord. 2016 gewann mit Klaus Schultze von den Werderaner Bogenschützen erstmals ein Jagdbogenschütze den Sängerstadtpokal, er blieb mit 1223 Ringen nur 5 Ringe unter dem Deutschen Rekord in der Ü45. Damit hoffen die Organisatoren um Carsten Materne, auch weiterhin einen Beitrag zur Leistungsentwicklung im Bogensport zu liefern. Die Teilnehmer am 40. Sängerstadtpokal 2017 werden sich also an den deutschen Rekorden messen lassen müssen.
Text: Wolfgang Materne
Der Platz in Babben 2016.
Die drei Sieger von 2016:
Links: Erika Rakel aus Schwedt, 2.Platz, Compoundbogen
Mitte : Klaus Schultze aus Werder, 1. Platz, Jagdbogen
Rechts: Richard Schartursanov aus Blankenfelde, 3.Platz, Recurve